Das Haus am Rynok-Platz Nr. 28, welches man am Anfang des 17. Jahrhunderts errichtete, wurde durch zweierlei Besonderheiten bekannt. Zum einen verbrachte der Kosakenführer Iwan Pidkowa dort die letzte Nacht vor seiner Exekution. Zum anderen findet man auf der Fassade einige lateinische Inschriften, welche sich durch Klugheit und Zeitlosigkeit auszeichnen.
Ilko Lemko.
Legenden der alten Stadt Lwiw

Der Brauch, ein Haus mit geflügelten Worten und verschiedenen philosophischen Sinnsprüchen zu schmücken, besteht in Lwiw seit alten Zeiten. Das Steinhaus am Rynok-Platz Nr. 28 ist dafür bekannt, dass der moldauische Fürst Iwan Pidkowa hier seine letzte Nacht vor der Hinrichtung verbrachte. Und ab dem 16. Jahrhundert gehörte das Haus meistens Apothekern und Ärzten. Hier, über den beiden Portalen und über allen Fenstern sehen wir lateinische Aufschriften, die uns mit ihrer mittelalterlichen, bis heute gültigen Weisheit beeindrucken.
Über den Fenstern des dritten Stockes links sehen wir die Aufschrift: „Probus invidet nemini“ – „Der Kluge beneidet niemanden“ und weiter – „Die Tugend bezwingt alles“, „Die Tugend wird mit Respekt belohnt“. Unten – „Wo Güte ist, da ist Gott“, „Wo Überfluss ist, da ist Sünde“, „Wo Reichtum ist, sind auch Freunde“. Des Weiteren findet sich eine für die Epoche der Renaissance kennzeichnende Sentenz: „Niemals verfehlen das Nützliche und das Schöne einander“ und schließlich über dem Hauptportal steht: „Deus meus et omnia“ – „Du bist mein Gott und mein alles“. Wenn wir versuchen, über diese Sinnsprüche nachzudenken, so nähern wir uns zumindest ein bisschen dem Menschen der Epoche der Renaissance – diesem klugen, ruhigen, harmonischen und lebenslustigen Menschen.
Aus dem Ukrainischen von Khrystyna Dyakiv
Lemko, Ilko: Lehendy staroho Lwowa [Legenden der alten Stadt Lwiw]. Apriori: Lwiw 2008, S. 176.