Der Lytschakiwer Friedhof

Der Lytschakiwer Friedhof existiert seit 1786, als die österreichisch-ungarische
Regierung die Bestattungen innerhalb der Stadt verbot. Der Friedhof war von
Anfang an als letzte Ruhestätte der reichen und adeligen Bevölkerung bestimmt.
Heute befi nden sich hier über 300.000 Grabstätten, davon 2.000 Gruften. Heute
wird in der Regel niemand mehr auf diesem Friedhof bestattet. Ausnahmen macht
man aber in besonderen Fällen und für Familien mit eigenen Gruften.

Allee auf dem Lytschakiwer Friedhof. O. Sybydlo. Foto, 2017

Jurij Wynnytschuk.
Todestango

Der Lytschakiwer Friedhof ist eine Stadt in der Stadt. Wobei wie immer nur die innere Stadt echt ist. Nur sie trägt die ganze Last des Lwiw-Seins. Der Lytschakiwer Friedhof ist der Frieden der Verstorbenen. Sie koexistieren ideal, sind alle zusammen und so nah nebeneinander: Banach und Kocko, Gorgolewski und Liwiński, Zapolska und Kruschelnytska, Grotter und Trusch, Jan Zagradnik und Nazar Hontschar, Franko und Smolka, Schaschkewytsch und Goschynski, Konopnicka und Rudnycka, die Rebellen und Metropoliten, Astrologen und Kapläne, Revolutionäre und Piloten, Opfer von Thalerhof, Beresa, Bryhidky, alle anderen Opfer und Opfer dieser anderen Opfer.

Manchmal will man unter ihnen noch jemanden sehen, weil manche noch fehlen. Zum Beispiel Wittlin oder Kuron, oder sagen wir Giacomo Joyce und Jim Morrison. Aber vor allem fehlt Admiral Jaroslaw Okunewski. Wo ist sein Österreich-Ungarn? Wo ist die österreichisch-ungarische Militärflotte, die er geleitet hat? Es wäre gut, wenn auf dem Lytschakiwer Friedhof ein goldenes Grab so groß wie ein Ozeanschiff wachsen würde.

Aus dem Ukrainischen von Olena Pylyptschuk

Wynnytschuk, Jurij: Tanho smerti. [Todestango]. Folio: Charkiw 2012, S. 379.


Ilko Lemko.
Lytschakiw

Der farbenprächtigste Stadtteil von Lwiw ist Lytschakiw. Das ist der einzige Stadtteil, der seinen altertümlichen Namen noch bis heute behalten hat. Dieser Bezirk wurde ab dem 15. Jahrhundert als Vorstadt besiedelt, als die Händlerkarawanen diesen Weg, der damals Hlynjanska hieß, bis nach Kafa und Konstantinopel gingen. Die Bezeichnung Lytschakiw stammt aus dem 16. Jahrhundert und ist vom verzerrten deutschen Namen Lutzenhof abgeleitet, also Hof von Lutzen, den deutschen Kolonisten, die sich hier vor ein paar Jahrhunderten niederließen. Laut einer anderen Theorie, die weniger glaubwürdig ist, kommt die Bezeichnung vom Wort „Lytschaky“ – Schuhe aus Stroh – die die arme Bevölkerung getragen hat.

Aus dem Ukrainischen von Olena Pylyptschuk

Lemko, Ilko: Lytschakiw. Apriori: Lwiw 2008, S. 61 f.

Grabstätte auf dem Lytschakiwer Friedhof. O. Sybydlo. Foto, 2017