
Die Boim-Kapelle ist eine Kapelle im Stil der Spätrenaissance, die Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut wurde. Die Boim-Kapelle wurde als Grabkapelle der Familie des Lwiwer Kaufmanns und Stadtrats Georg Boim gegründet. Bis zum 18. Jahrhundert war hier das Friedhofsgelände der römisch-katholischen Kathedrale. Heute gehört die Kapelle zur Abteilung der Lwiwer Gemäldegalerie.
Olesja Ljubawa.
Meine Stadt
Janek bemerkte, dass einige Touristen mit nach oben gerichtetem Kopf auf etwas hinwiesen und schaute selber in diese Richtung. Er erblickte die Jesus-Christus-Skulptur auf dem Dach der Boim-Kapelle, hielt an und bekreuzigte sich unwillkürlich nach dem römisch-katholischen Ritus: „Jesus Christus ist hier so traurig, sitzt da, den Kopf gebeugt […].“
Senja hielt ebenfalls an: „Er sitzt vor seiner Hinrichtung im Garten Getsemani und ist wegen des Verrates traurig […]. Ich habe mir öfters überlegt, wieso der Bildhauer die Steinstatue des Erlösers in dieser Position gerade hier platziert hat […]. So hoch oben, damit die Leute ihn schon von Weitem sehen und immer seiner Opferbereitschaft für uns alle gedenken können […]. Aber wieso gerade auf der Kuppel der Boim-Kapelle, der Ruhestätte einer reichen Bürgerfamilie?! Ich kann es nicht verstehen […].“
Janek trat näher zur Kapelle: „Und von wem sind die Porträts da an der Wand?“ „Das sind die Freskoporträts des Ehepaares Boim: Jurij und Jadwiga. Jurij Boim war ein kluger Händler und ein berühmter Lwiwer Patrizier, also ein Aristokrat. Er wurde hier in Lwiw durch seinen Handel mit Überseeweinen reich […]. Berühmte Gelehrte, Reisende und Ärzte stammten aus dieser Familie […].“
„Und er hat ein gutes Andenken hinterlassen.“ Er ging um die Ecke der Kapelle und blickte nach oben auf das Relief mit Georg dem Drachentöter.
Senja stand neben ihm und lächelte: „Der Bildhauer stellte den Kampf zwischen Georg Boim und seinem bittersten Feind Kampian sehr witzig dar […]. Die Ruhestätte der Kampian-Familie ist übrigens gleich nebenan, auf der nördlichen Seite dieser Kathedrale […].“
„Ich habe vergessen dir noch die westliche Hauptfassade der Boim-Kapelle zu zeigen, wo die ganze Ikonostase, die die Passion Christi darstellt, in Stein gemeißelt ist […]. Eine Art Bibel aus Stein […]. Und welche Innenarchitektur diese Kapelle hat! Es kann einem schwindlig werden, bis man sich all die wunderbaren architektonischen Details hier angesehen hat […]. Aber nein, später, später […]. Hier kann man den halben Tag verlieren […].“
Er schaute noch einmal auf die Jesusstatue auf der Kuppel, überlegte sich eine Antwort auf die Frage des Mädchens und sagte endlich: „Ich glaube, dass der Erlöser schon damals voraussah, was für schlimme Dinge die Menschheit tun wird und wie unser Planet Erde leiden wird […]. Deswegen ist er traurig […].“
Aus dem Ukrainischen von Marija Watschko, Tetyana Lyashenko
Ljubawa, Olesja: Misto moje [Meine Stadt]. Apriori: Lwiw 2012, S. 88 f.
Ihor Melnyk.
Lwiwer Innenstadt
Zwischen der Kathedrale und der Halycka-Strasse befindet sich eine einzigartige Perle der Lwiwer Renaissance: die Boim-Kapelle (Halycka-Straße 2, Eingang vom Katedralna-Platz). Die Kapelle wurde nach der Heiligen Dreifaltigkeit und Passion Christi benannt. Die Polen nannten die Kapelle „Ogrojzewa“, nach dem Hauptrelief am Altar, wo Jesus betend im Garten Getsemani dargestellt ist.
Die Boim-Kapelle ist die einzige von sehr vielen Kapellen, die am früheren Friedhof an der Kathedrale erhalten geblieben ist. Sie wurde in den Jahren 1609–1611 unter der Leitung des Architekten Andreas Bahmer erbaut und in den Jahren 1611–1615 wurde sie von den Bildhauern Johann Pfister und Johann Scholz im Renaissance- und Manierismusstil ausgestattet.
Gestiftet wurde sie von der aus Ungarn stammenden Familie Boim. An der östlichen Wand, von der Seite der Halycka-Straße, sind Freskenporträts des Stifters Georg (Derd) und seiner Frau Jadwiga aus dem 17. Jahrhundert erhalten geblieben. Und an der nördlichen Wand gibt es ein Relief von Georg dem Drachentöter, der als Schirmherr des Stifters galt. In der Kapelle wurden vierzehn Familienmitglieder begraben.
Das quadratförmige Gebäude wird von einer Kuppel mit Laterne gekrönt, darüber wurde die Skulptur des trauernden Christus errichtet […]. Am Eingang hängen die Ölporträts von Georg Boim und seinem Sohn Pawlo. An der südlichen Wand kann man zwei Grabinschriften von Familienmitgliedern erkennen.
Im 19. und 20. Jahrhundert benutzte man die Kapelle für Bestattungsrituale. Nach dem Krieg war sie geschlossen und 1969 wurde sie zu einem Standort der Lwiwer Kunstgalerie. Die Kapelle ist ein Baudenkmal von nationaler Bedeutung.
Aus dem Ukrainischen von Olena Shyryayeva
Melnyk, Ihor: Lwiwske seredmistja. Wsi wulyci, ploschtschi, chramy j kamjanyc’
[Lwiwer Innenstadt. Alle Straßen, Plätze, Kirchen und Steinhäuser]. Apriori: Lwiw 2011, S. 301 f.