Die St.-Georgs-Kathedrale zählt zu den berühmtesten sakralen Bauwerken Lwiws. Dank ihrer besonderen Lage auf einem Hügel über dem Stadtzentrum thronend, prägt sie bis heute das Stadtbild auf den meisten Ansichtskarten. Erbaut in den Jahren 1744-1764 stellt sie ein typisches Beispiel einer Barockkirche dar, die dazu in ihrem architektonischen Bau Elemente des Rokokos sowie manche byzantinische Merkmale vereint. Als Hautbaumeister gilt der Architekt deutscher Herkunft Bernard Merettiner. Das Gebäude zieren vor allem die Skulpturen von Johann Georg Pinzel und Semen Stazhewskyj, die innere Ausstattung der Kathedrale prägt der Hauptaltar des Bildhauers Sebastian Fesinger. Die St.-Georgs-Kathedrale war lange Zeit der Sitz des Metropoliten der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche und galt dadurch als Zentrum nicht nur des geistlichen und kulturellen, sondern auch des politischen Lebens der Ukrainer. Besonders spürbar war das zur Amtszeit des Metropoliten Andrej Scheptyckyj (1865–1944). Sein Beitrag zur geistigen und kulturellen Entwicklung der Ukrainer ist unbestritten. Er initiierte die Gründung von Schulen und Museen, stiftete die Tätigkeit ukrainischer Verlage sowie verschiedener Vereine. Seine religiöse Tätigkeit war vielseitig und hauptsächlich auf die Pflege des byzantinischen Ritus sowie auf die Verständigung mit Vertretern anderer Konfessionen gerichtet. Auch politisch war der Metropolit sehr aktiv und vertrat die Interessen der ukrainischen Bevölkerung. Bis heute wird er als einer der wichtigsten ukrainischen geistlichen Intellektuellen geschätzt.

Józef Wittlin.
Mein Lemberg
Doch wer an Gott glaubte, konnte in Lemberg beten und beten. Denn außer der Ahlkirsche von Kleparow und der Wasserscheide auf der Kortumowka sind die dritte Besonderheit unserer Stadt ihre drei Kathedralen. Ja, drei Kathedralen, die lateinische, die griechisch-unierte, die armenische. Jede in einer anderen Hinsicht großartig, jede in einem anderen Stil und einem anderen Jahrhundert erbaut. Der Benjamin unter ihnen ist zweifellos die jüngste, die griechisch-katholische Metropolitankirche St.-Jur […]. Kolossal, burgähnlich, festungsartig, gleichzeitig aber leicht, voller Grazie, fast schwungvoll ist dieser Heilige Jur […]. Besonders begeistert er im Frühjahr, wenn er das üppige Grün der Parks und blühenden Obstgärten überragt, die an sanften Hängen die niedrigen Geschosse der Kathedrale umgeben.“
Wittlin, Józef: „Mein Lemberg“. In: Woldan, Alois (Hrsg.): Europa erlesen: Lemberg.
Wieser Verlag: Klagenfurt 2008, S. 161 f.
Bohdan Ihor Antonytsch.
Nacht auf dem Georgsplatz

Schwarz liegt die Mitternacht, wie Kohle,
ein Schatten geht über den Georgsplatz;
Streifen, die sich von den Türmen rollen,
fallen auf dunkles Mauerwerk hinab.
Der Mond gleicht einem Ring aus Silber,
der glänzt am Ebenholz der Nacht.
Du wirst in seinem Schatten frieren
unter des klaren Himmels Dach.
Vermagst du selbst es zu erkennen,
was hier Gespenst ist und was nicht?
Das Trugbild von der Wirklichkeit zu trennen,
die auch so manches dir verspricht?
Hier ragen Türme auf aus Glas und Tönen,
hier brennt ein Feuer, das nicht länger wärmt,
du ahnst die Konstruktion der Schemen,
du spürst die Grenzen dieser Welt.
Schwarz liegt die Mitternacht, wie Kohle,
streut Asche auf des Schlafes Lider,
lässt vom Gewölbe Silberstreifen rollen –
der Himmel senkt sich auf die Erde nieder.
Es tönt die Nacht vom Schall der Glocken,
es thront das Kreuz, ein mächtiges Symbol –
wie eine Wand, schwarz und bedrohlich,
baut sich die Zukunft auf, geheimnisvoll.
Aus dem Ukrainischen von Alois Woldan
Antonytsch, Bohdan Ihor: „Nacht auf dem Georgsplatz“. In: Woldan, Alois
(Hrsg.): Europa erlesen: Lemberg. Wieser Verlag: Klagenfurt 2008, S. 220.