Nationale Iwan-Franko-Universität Lwiw (1918–1939 Jan-Kazimierz-Universität) ist die älteste Universität in der Ukraine und eine der ältesten Universitäten in Osteuropa. Sie wurde im Jahre 1661 als Jesuitenakademie von Jan II. Kazimierz gegründet. Die Akademie bestand aus zwei Abteilungen (Fakultäten): einer philologischen und einer theologischen. Die historischen Quellen zeugen davon, dass im Jahr 1667 ungefähr 500 Leute an beiden Fakultäten studierten und der Studienbetrieb von acht Hochschullehrern geleitet wurde.

Iwan Franko.
Vorgänge an der Lemberger Universität
[Die] Lemberger Universität ist seit einer Reihe von Jahren ein Objekt hitziger Kämpfe. Ursprünglich eine deutsche Hochschule, hatte sie in Berücksichtigung der lokalen Bedürfnisse schon in den Jahren 1787–1808 ruthenische Vorträge, besitzt seit dem Jahre 1848 ein Katheder für ruthenische Sprache und Literatur mit ruthenischer Vortragssprache, bekam in der konstitutionellen Ära noch einige ruthenische Katheder an der juridischen und der theologischen Fakultät und sollte gemäß den ganz unzweideutig ausgedrückten Intentionen der zentralen Regierung mit der Zeit einen vorwiegend ruthenischen Charakter bekommen, ebenso wie die Krakauer Universität einen ausschließlich polnischen Charakter hat. Nun gelang es aber in der autonomistischen Ära de[n] Polen, diese Universität gänzlich zu polonisieren, und heute soll diese aus dem Staatssäckel erhaltene Universität eine Festung des Polonismus sein, wo das ruthenische Element höchstens als geduldet, keineswegs aber als gleichberechtigt angesehen werden kann. Ein Ministerialerlass über die polnische Amtssprache der Universität wurde von einem Dekan vor zwei Jahren dahin interpretiert, dass er in einer Fakultätssitzung einem ruthenisch sprechenden Professor die Stimme entzog, und ein anderer Dekan, der jetzige Rektor P. Fijalek, wollte ruthenische ausgefüllte Inskriptionsformulare nicht annehmen und brüskierte dabei die ruthenische Jugend, was die bekannten Ruhestörungen und die darauf folgende Sezession der ruthenischen Jugend von der Lemberger Universität zur Folge hatte.
Franko, Ivan: „Vorgänge an der Lemberger Universität“. In: Paslawska, Alla / Vogel, Tobias / Woldan, Alois (Hrsg.): Vivere memento! Anthologie deutschsprachiger Werke von Ivan Franko.
VNTL–Klasyka: Lwiw 2016, S. 158 f.
Mychajlo Jaworskyj.
Der Löwenkuss
Das Universitätsgebäude erstreckte sich entlang des unteren Rands des Jesuitenparks. Wie auch die Gerichte und Gefängnisse wurde es in den Zeiten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie errichtet. Man baute die Universität als Beweis für die Vorliebe des Kaisers für Kunst und Wissenschaften. Das Gebäude erinnerte an den kaiserlichen Adler, der sich jeden Augenblick in die Lüfte erheben würde. Der zentrale Teil des Gebäudes wird von zwei großen ionischen Säulen in zwei Seitenflügel gespalten. Es überlebte den Kaiser und die Monarchie. Als am Ende des Ersten Weltkrieges die Monarchie zerfiel, entfernte und zerstörte man eine riesige Franz-Joseph-Statue aus Granit, die gegenüber der Universität stand. Die kaiserlichen Embleme wurden durch das Wappen des neu entstandenen Polnischen Staates ersetzt.
Vor zwei Jahren stellten die Russen statt der polnischen Symbolen ihre Symbole – rote Sterne und Hammer und Sichel – auf. Jetzt, nachdem die Russen geflüchtet waren und die Deutschen ihr Recht auf das Gebäude noch nicht anzumelden begannen, „gehörte es uns“. Auf der Vorderseite neben den drei Musengestalten – Wahrheit, Wissenschaft und Macht – flatterten gelb-blaue Fahnen.
Aus dem Ukrainischen von Olena Pylyptschuk
Jaworskyj, Mychajlo: Pocilunok lewa (awtobiohrafi tschnyj roman) [Der Löwenkuss
(autobiographischer Roman)]. Piramida: Lwiw 2006, S. 143.