Klepariw, ein kleines Dorf, das bald zum Vorort Lwiws werden sollte, verdankt seinen Namen einem deutschstämmigen Bürger mit dem Nachnamen Klöpper. Er hat hier seinen Hof aufgebaut – den Klöpperhof. Die Bezeichnung „Klöpperhof“ verwandelte sich in die heutige Form „Klepariw“.

Jurij Wynnytschuk.
Die versunkene Kirche
Es stand einmal in Klepariw eine kleine Kirche, umgeben von Linden und Eschen. Dreimal pro Tag drang ein Geläut aus dem Glockenturm und berief die Leute aus der umliegenden Gegend ein. Im Jahr 1695, als Tataren Lwiw angriffen, passierte ein Übel. Gerade am Sonntagmorgen, als in der Kirche eine ganze Menge an Menschen war, brach die Horde dort ein. Die Tataren fesselten die jungen Leute, plünderten die Kirchenfahnen, Ikonen, Messgewänder und die Schatzkammer. Nichts konnte sie aufhalten – weder lautes Kinderschluchzen, noch die Flüche der Frauen oder das Flehen des Priesters.
Zur selben Zeit als die Räuber in der Kirche tobten, kamen ein starker Wirbelwind und danach ein fürchterlicher Gussregen auf. Blitze zuckten am Himmel. Ein rasendes Donnerrollen ertönte und die Kirche mit allen dort stehenden Menschen begann, in die Erde zu sinken. Wirbelndes, sprudelndes Wasser ergoss sich über den Boden und stieg rasch empor. Bald war am Platz, wo die Kirche gestanden hatte, nur ein trüber Moorteich geblieben. Darum nannte man den Ort „das schwarze Tal“.
Seit jener Zeit konnte man manchmal aus der Tiefe des Teiches Schluchzen und dumpfe Glockenschläge hören. Ein Junge kam in der Sonnwendnacht an diesem Teich vorbei und sah im Mondlicht eine auf dem Wasser treibende Leine. Ohne lange nachzudenken, griff er nach der Leine und begann, an ihr zu ziehen. Auf einmal hörte er das Läuten von Glocken und Kinderschluchzen. Und aus der schwarzen Tiefe tauchten ein goldenes Kreuz und kurz darauf eine goldene Kuppel und blitzende Fenster auf. Er begriff , dass es die versunkene Kirche war, und bat Gott um die Kraft, die Kirche herauszuziehen.
Als der erste Hahnenschrei zu hören war, zog er noch immer schweißtriefend an der Leine. Der Morgen graute schon rundherum und die Kräfte verließen den Jungen. Es gab aber niemanden, der helfen konnte. Nur das Geklage und der Bittgesang wurden immer lauter. Als der Hahn das dritte Mal schrie, glitt dem Jungen die Leine aus den Händen und das trübe Wasser schluckte die Kirche. Der Junge bekreuzigte sich und als er sich entfernte, hörte er, wie hinter seinem Rücken die Glocken stöhnten und die Menschen schluchzten.
Aus dem Ukrainischen von Petro Kozak, Oksana Molderf
Wynnytschuk, Jurij: Lehendy Lwowa [Sagen aus Lwiw]. Piramida: Lwiw 2000, S. 17 f.