Leopold von Sacher-Masoch

Leopold von Sacher-Masoch. Unbekannter Autor. Wikipedia. Foto, um 1860–70.

Leopold von Sacher-Masoch war ein österreichischer Schriftsteller, Journalist und Verleger. Er wurde als Sohn des Lwiwer Polizeidirektors Leopold von Sacher am 27. Januar 1836 in Wynnyky bei Lwiw geboren. Dort wuchs er in einer ukrainisch- und polnischsprachigen Umgebung auf. 1848 zog die Familie nach Prag. Sacher-Masoch studierte an den Universitäten Prag und Graz. In Graz promovierte er in Geschichte und war in den Jahren 1856–1870 als Privatdozent tätig. Danach wandte er sich ausschließlich der literarischen und publizistischen Tätigkeit zu. Er wohnte in Bruck an der Mur, Budapest und Leipzig, ließ sich schließlich mit seiner zweiten Frau in Lindheim (Hessen) nieder, wo er bis zum seinem Tod am 09. März 1895 lebte.


Leopold von Sacher-Masoch.
Souvenirs

Ich benutzte das erste Honorar, um in die Heimat zu eilen. Es war im Sommer 1857, ich vergoß Thränen, als ich den ersten galizischen Bauer erblickte, und nun erst, als der Postwagen – damals gab es noch keine Bahn – in Lemberg einfuhr und ich die Straße, die Häuser, die Bäume auf dem „Wall“, die Promenade Lembergs, wieder erkannte, da begann ich zu weinen wie ein Kind. Meine Großmutter lebte noch. Das alte Familienhaus sah genau so aus, als ich es vor zehn Jahren verlassen hatte. Es war wie im Märchen, wo nach tausendjährigem Schlaf alles genau so erwacht, wie es vordem war. Da war noch die vergilbte Lotterietafel neben dem Thore, die alte Treppe und oben die alten geblümten Möbel, die Kommoden mit dem Messingbeschlag, die große Uhr, welche Diana von ihren Hunden gefolgt zeigte, und die alte Frau, hoch in den Achtzigern, die noch im Bette lag – es war früh am Morgen – und mir die zitternden Hände entgegenstreckte und mich segnete. Alles war, wie ich es verlassen und in der Küche unter dem Herde lag die große Katze und säugte ihre Jungen, ganz so wie vor zehn Jahren. Von Lemberg aus durchstreifte ich den Osten des Landes. Ich habe meine Heimath später noch häufig besucht, aber nie mehr jenen Eindruck empfangen von damals, wo ich von übermächtiger Sehnsucht getrieben zurückgekehrt war und zwei Monate mit unserem Volke lebte.

Sacher-Masoch, Leopold von: Souvenirs. Autobiographische Prosa. Übers. v. Susanne Farin. Belleville: München 1985, S. 66.